Bundestag verabschiedet Mindeststeueranpassungsgesetz

blog main image
November 17, 2025
17.11.2025
4 Minuten Lesezeit

Der Bundestag verabschiedet OECD-konforme Mindeststeuer-Novelle und nutzt die Gelegenheit für umfassende Compliance-Erleichterungen – § 4j EStG entfällt ersatzlos, während der Bundesrat die Kürzungsbetrag-Lösung in eine Arbeitsgruppe verlagert.

Parlament setzt OECD-Vorgaben um und streicht Lizenzbarriere

Am 14. November passierte das Mindeststeueranpassungsgesetz den Bundestag – mit substantiellen Abweichungen von der ursprünglichen Regierungsvorlage. Neben der technischen Umsetzung aktueller OECD-Verwaltungsleitlinien nutzte der Gesetzgeber die Gelegenheit für weitreichende Compliance-Erleichterungen im internationalen Steuerrecht. Die Bundesrat-Zustimmung steht noch aus. Technisch implementiert das Gesetz Regelungen zu Berichtspaketen, legitimiert die Erwerbsmethode und schließt Missbrauchslücken beim CbCR-Safe-Harbour. Daneben erfolgten primär redaktionelle Korrekturen. Eine materiell relevante Modifikation betrifft die Behandlung latenter Steuern in der Vollberechnung, sofern diese durch Wahlrechtsausübung oder Verrechnung nicht im Mindeststeuer-Jahresergebnis erscheinen.

Drei Entlastungen bei Hinzurechnungsbesteuerung und Lizenzschranke

Die eigentliche Sensation steckt in den Begleitmaßnahmen: § 4j EStG wird ersatzlos gestrichen. Begründung des Gesetzgebers: Internationale Koordinationsinstrumente – allen voran die globale Mindestbesteuerung – machen die Lizenzschranke zur Verhinderung von Gewinnverlagerungs-Gestaltungen obsolet. Unternehmen sparen dadurch erheblichen Compliance-Aufwand. Bei der Hinzurechnungsbesteuerung erfolgen drei parallel Lockerungen: Die Freigrenzen in §§ 9 und 13 AStG steigen – der Gesetzgeber schöpft den EU-Spielraum aus der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie konsequenter aus. Zusätzlich führt § 13 AStG eine Beteiligungsgrenze für Kapitalanlageeinkünfte ein. Hintergrund der Beteiligungsgrenze: Kleinstbeteiligungen erzeugen administrativen Aufwand, der in keinem Verhältnis zum fiskalischen Ertrag steht – sowohl für Finanzverwaltung als auch Steuerpflichtige. Die neue Schwelle eliminiert diesen Ballast bei mittelbaren Beteiligungen, erfasst aber weiterhin Konstellationen mit signifikanter steuerlicher Wirkung. 

Wegzugssteuer greift auch bei Rückkehr nach substanzieller Ausschüttung

Der Finanzausschuss reaktivierte überraschend eine Passage aus dem BMF-Referentenentwurf, die der Regierungsentwurf eliminiert hatte: § 21 Abs. 3 AStG präzisiert nun, dass Rückkehrer nach Deutschland ihre Wegzugssteuer nicht mehr neutralisieren können, wenn zuvor substanzielle Gewinnausschüttungen (über 25 Prozent des Anteilswerts) oder substantielle Einlagenrückgewähr erfolgten. Die Regelung erweitert eine bereits bestehende Logik auf Altfälle – Wegzüge vor dem 1.1.2022 – bei Ausschüttungen oder Rückgewähr nach dem 16.8.2023. Faktisch schließt § 21 Abs. 3 AStG eine Gestaltungslücke: Die Rückkehrerregelung nach § 6 Abs. 3 AStG bietet keinen Schutz mehr. Gewinn: höhere Rechtssicherheit.

Spezial-Investmentfonds: Systembruch wird repariert

§ 37 InvStG beseitigt eine strukturelle Doppelbelastung bei Spezial-Investmentfonds. Bisherige Konstellation: Kontrolliert ein Anleger via Spezial-Investmentfonds eine ausländische Zwischengesellschaft, erfolgten zwei Hinzurechnungsbetrag-Ansätze – unmittelbar beim Anleger plus mittelbar als Komponente der ausschüttungsgleichen Erträge über den Fonds. Diese Doppelerfassung widersprach dem Gleichstellungsprinzip mit Direktanlagen und benachteiligte inländische gegenüber ausländischen Spezial-Investmentfonds. Zwar verhinderten Minderungs- und Kürzungsbeträge nach §§ 10 Abs. 6, 11 AStG die faktische Doppelbesteuerung – doch der Korrekturaufwand war erheblich. Dieser entfällt nun vollständig.

Bundesrat verschiebt Kürzungsbetrag-Reform in Arbeitsgruppe

Eine zentrale Regierungsentwurfs-Komponente scheiterte auf Bundesrats-Empfehlung: Die geplante Neutralisierung nicht abziehbarer Betriebsausgaben nach § 8b Abs. 3, 5 KStG bei Ausschüttungen und Veräußerungen von Zwischengesellschafts-Beteiligungen (§ 11 Abs. 2, 4, 6 AStG). Ursprüngliche Intention: Steuerpflichtige sollten nicht zusätzlich zum Hinzurechnungsbetrag mit pauschalen 5-Prozent-Betriebsausgaben belastet werden, wenn Einkünfte bereits der Hinzurechnungsbesteuerung unterlagen. Parallel sollte die Administrierbarkeit bei Organschaften steigen. Der Bundesrat blockierte diese Lösung zugunsten einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die praxistaugliche Alternativen entwickeln soll – unter Beibehaltung der 5-Prozent-Pauschale.

Systemfremde ELSTER-Vereinfachung für Ehegatten

Der Finanzausschuss integrierte eine thematisch völlig isolierte Änderung: § 122 Abs. 7 AO gestattet ab 1.1.2026 die Bescheid-Bereitstellung im ELSTER-Konto nur eines Ehegatten/Lebenspartners. Widerspruchsrecht nach § 122a Abs. 2 AO bleibt bestehen.