ZEW-Studie: Globale Mindeststeuer wird zum Standortnachteil für Europa

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November 12, 2025
13.11.2025
3 Minuten Lesezeit

Forscher aus Mannheim und Washington beziffern erstmals die Compliance-Kosten von Pillar Two für EU-Konzerne – während die Union vollständig umsetzt, verzögern USA, China und Indien die Implementation und verschaffen ihren Unternehmen damit einen Wettbewerbsvorteil.

Asymmetrische Umsetzung schafft ungleiche Wettbewerbsbedingungen

Die internationale Mindestbesteuerung sollte gleiche Bedingungen für alle schaffen – doch in der Realität entsteht das Gegenteil. Eine neue Studie des ZEW Mannheim und der amerikanischen Tax Foundation zeigt: Europäische Unternehmen tragen die volle Last der OECD-Reform, während ihre globalen Wettbewerber von Verzögerungen profitieren. Die Zahlen sind eindeutig: EU-Konzerne investieren einmalig bis zu 2 Milliarden Euro in die Implementierung von Pillar Two. Dazu kommen jährlich wiederkehrende Compliance-Kosten von bis zu 865 Millionen Euro. Besonders hart trifft es große, grenzüberschreitend tätige Unternehmensgruppen mit Aktivitäten in mehreren EU-Mitgliedstaaten.

Das eigentliche Problem liegt jedoch nicht in den absoluten Beträgen, sondern in der einseitigen Belastung: Die EU und einige kleinere Volkswirtschaften haben die Mindeststeuer bereits vollständig umgesetzt. Die großen Wirtschaftsmächte USA, China und Indien zögern hingegen oder implementieren gar nicht.

Gaul warnt vor Scheitern des Systems

"Ohne internationale Abstimmung droht die Mindeststeuer zu scheitern", erklärt Johannes Gaul, Wissenschaftler im ZEW-Forschungsbereich "Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft". "Wenn von manchen Volkswirtschaften die Umsetzung von Pillar Two verzögert wird oder gar nicht erst stattfindet, dann funktioniert das System nicht wie ursprünglich beabsichtigt."

Die Konsequenz: Europäische Konzerne müssen aufwändige neue Steuerberechnungen durchführen, IT-Systeme umbauen und Prozesse neu strukturieren. Ihre amerikanischen, chinesischen und indischen Wettbewerber können weiterhin mit einfacheren Regelungen arbeiten. Diese Asymmetrie kann langfristig Investitionsentscheidungen beeinflussen und Standortverlagerungen auslösen.

Komplexität treibt Kosten in die Höhe

Die hohen Implementierungskosten resultieren aus der technischen Komplexität der neuen Regelungen. Unternehmen müssen für jedes Land, in dem sie tätig sind, separate Berechnungen durchführen. Dabei sind Anpassungen zwischen handelsrechtlicher und steuerrechtlicher Bilanzierung erforderlich, Verlustvorträge müssen berücksichtigt und länderspezifische effektive Steuersätze ermittelt werden. Viele Konzerne kommen nicht umhin, ihre gesamte Steuer-IT-Infrastruktur zu modernisieren und Fachabteilungen personell zu verstärken. Investitionen, die sich ihre nicht-europäischen Wettbewerber sparen können.

Die Studienautoren empfehlen daher dringend, die Einführung international besser zu koordinieren. Sollten wichtige Handelspartner dauerhaft ausscheren, müssten Ausnahmeregelungen für EU-Unternehmen geprüft werden, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.