Grant Thornton verteidigt Cinven-Deal gegen Unabhängigkeits-Kritik

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November 6, 2025
06.11.2025
4 Minuten Lesezeit

CEO Wieland-Blöse weist Bedenken zurück und bezeichnet PE als Wachstumskatalysator – 40 Investoren konkurrierten um die Mehrheit, anorganisches Wachstum und weitere DAX-Mandate geplant.

40 PE-Häuser konkurrierten um Mehrheit

Nach zwölfmonatigem Strategieprozess hat Grant Thornton Deutschland die Mehrheit seiner Anteile an Cinven verkauft. Rund 40 Private-Equity-Häuser bekundeten Interesse, darunter New Mountain Capital, die bereits Grant Thornton USA gehören. CEO Heike Wieland-Blöse begründet die Entscheidung mit notwendiger Transformation durch KI und Digitalisierung, War for Talents und erheblichem Investitionsbedarf. "Size matters", so Wieland-Blöse. Die Partnerschaft habe alle Optionen geprüft – PE ermögliche die Verbindung von Mittelstands-Agilität mit Kapitalkraft.

Cinven überzeugt durch Sektor-Expertise

Cinven setzte sich durch maßgeschneidertes Konzept, Know-how-Transfer, kulturelle Nähe als europäischer Fonds mit 50 Jahren Erfahrung und Stärke im Professional-Services-Sektor durch. Zusätzlich besitzt Cinven bereits Grant Thornton UK mit rund 900 Millionen Euro Umsatz. Wieland-Blöse sieht Potenzial für intensivere Zusammenarbeit und gemeinsame Technologie-Aktivitäten. Cinven bringe Portfoliounternehmen in KI und Digitalisierung mit. Die verschiedenen Eigentümerstrukturen im internationalen Netzwerk – familiengeführt, Partnerschaft, PE-finanziert – ändern am Innenverhältnis nichts. Grant Thornton Deutschland bleibe eigenständige Landesgesellschaft.

Regulatorische Bedenken als Nebenschauplatz

Wieland-Blöse sieht in den aktuellen Debatten um strengere Fremdbesitzregeln keinen Hinderungsgrund für den Deal. Die Wirtschaftsprüferkammer habe im Sommer 2025 die Zulässigkeit der gewählten Struktur ausdrücklich bestätigt. Anders als im Steuerberatungsmarkt, wo das Bundesfinanzministerium über Verschärfungen diskutiert, seien Wirtschaftsprüfungsgesellschaften von den geplanten Änderungen nicht betroffen. Die CEO warnt vor protektionistischen Reflexen: Eine Abschottung des deutschen Marktes würde heimische Gesellschaften gegenüber international aufgestellten Wettbewerbern benachteiligen. "In unserer Branche wird es Konsolidierung geben – und geben müssen", betont Wieland-Blöse. Die Frage sei nicht, ob Private Equity komme, sondern wie der Markt damit umgehe.

Buy-and-Build-Strategie mit kulturellem Fokus

Die Mandantschaft habe den Cinven-Einstieg durchweg positiv aufgenommen. Viele Kunden seien selbst Private-Equity-finanziert oder arbeiten mit PE-Häusern zusammen, die Grant Thornton bei Transaktionen begleitet. Die angekündigten Investitionen in Technologie, Prozessoptimierung und KI würden direkt der Servicequalität zugutekommen. Ein zentraler Vorteil für die Mitarbeitergewinnung: Neue Beteiligungsmodelle ermöglichen Partizipation an Wertsteigerungen ohne Kapitaleinlage. Dies soll Grant Thornton im umkämpften Arbeitsmarkt attraktiver positionieren. Neben organischem Wachstum plant die Gesellschaft gezielte Zukäufe, strategische Kooperationen und die Rekrutierung ganzer Teams. Wieland-Blöse stellt klar: Blindes Wachstum um jeden Preis werde es nicht geben. Neben wirtschaftlicher Logik müsse vor allem die Kulturkompatibilität stimmen – dasselbe Kriterium, das auch bei der Cinven-Auswahl entscheidend war.

Big-Four-Abstand im Visier

Aktuell trennen Grant Thornton rund 2 Milliarden Euro Umsatz von den Big Four. Wieland-Blöse sieht darin weniger eine unüberwindbare Hürde als vielmehr ein Symptom der deutschen Marktstruktur: Der Prüfungsmarkt konzentriert sich extrem auf die vier Großen, darunter herrscht starke Fragmentierung. "Diese Struktur ist nicht gut für den Wettbewerb und damit auch nicht gut für die Qualität", argumentiert die CEO. Mit dem Porsche-Mandat hat Grant Thornton bereits ein DAX-Unternehmen gewonnen. Weitere Mandate im Premiumsegment werden angestrebt, gleichzeitig sieht die Gesellschaft attraktive Opportunitäten in anderen Börsensegmenten. Private Equity fungiere dabei als "Katalysator für Veränderung" – eine Formulierung, die Wieland-Blöse bewusst wählt, um die transformative Wirkung des Deals zu unterstreichen.