BFH-Urteil: Übermittelte Lohnsteuerdaten schützen nicht vor Steuerhinterziehung

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December 9, 2025
10.12.2025
2 Minuten Lesezeit

Wer zur Abgabe verpflichtet ist und keine Erklärung einreicht, riskiert auch bei vollständiger Datenübermittlung eine zehnjährige Festsetzungsfrist.

Der Fall

Ein Ehepaar gab jahrelang freiwillig Steuererklärungen ab, gespeichert als Antragsveranlagung. Als beide Partner ab 2009 Arbeitseinkünfte erzielten und die Steuerklassen III/V wählten, änderte sich die Rechtslage: Aus der freiwilligen wurde eine Pflichtveranlagung. Die Arbeitgeber übermittelten sämtliche Lohnsteuerdaten elektronisch ans Finanzamt. Das Paar erhielt Ausdrucke mit Übermittlungsvermerk und verzichtete fortan auf eigene Erklärungen. Eine Aufforderung vom Finanzamt blieb aus. Erst 2018 fiel bei einer E-Daten-Prüfliste auf, dass für 2009 und 2010 Pflichtveranlagungen fehlten. Das Finanzamt erließ Schätzbescheide mit Verspätungszuschlägen.

Das Argument der Steuerpflichtigen

Das Ehepaar berief sich auf die Festsetzungsverjährung. Die reguläre Frist beträgt vier Jahre, war also längst abgelaufen. Doch das Finanzamt wertete das Unterlassen als Steuerhinterziehung, was die Frist auf zehn Jahre verlängert. Das Finanzgericht Münster gab zunächst dem Ehepaar recht: Der Sachbearbeiter hätte alle relevanten Daten abrufen können. Kenntnis der Behörde sei anzunehmen.

Die BFH-Entscheidung

Der Bundesfinanzhof sah es anders (Az. VI R 14/22). Entscheidend: Daten, die lediglich zum Abruf bereitstehen, gelten nicht automatisch als bekannt. Nur Informationen, die in eine konkrete Akte einfließen, ob Papier oder elektronisch, sind dem Sachbearbeiter zuzurechnen. Die bloße Verknüpfung mit einer Steuernummer ändert daran nichts. Da das Paar als Antragsveranlagung gespeichert war, bestand für den Sachbearbeiter kein Anlass zum Datenabruf. Die verlängerte Festsetzungsfrist greift, die Schätzbescheide sind rechtmäßig.

Praxisrelevanz

Die Pflicht zur Abgabe besteht unter anderem bei Steuerklassenkombination III/V oder IV/IV mit Faktor, bei mehreren Arbeitsverhältnissen mit Steuerklasse VI, bei Lohnersatzleistungen über 410 Euro monatlich sowie bei Einkünften ohne Lohnsteuerabzug. Automatisch übermittelte Daten ersetzen die Erklärungspflicht nicht.