Fachkräftemangel: Deutsche Unternehmen scheitern an eigenen Ansprüchen

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December 3, 2025
03.12.2025
3 Minuten Lesezeit

Eine Remote-Studie belegt systematisches Versagen bei der Talentakquise: 78 Prozent der Unternehmen verfehlen Ziele durch unrealistische Qualifikationsanforderungen und KI-bedingte Einstiegshürden.

Überqualifikation als Rekrutierungsbarriere

Der Global Workforce Report des HR-Tech-Unternehmens Remote dokumentiert eine paradoxe Entwicklungen: 78 Prozent deutscher Unternehmen verfehlen strategische Ziele mangels Talenten, verschärfen jedoch gleichzeitig Zugangshürden. 59 Prozent fordern Masterabschlüsse für Neueinstellungen, deutlich über internationalen Standards wie Vereinigtes Königreich (51 Prozent) oder USA (52 Prozent).

Executive Recruiter Oliver Kempkens identifiziert strukturelle Defizite: „In mehr als 50 % der Fälle, in denen wir initiale Briefings bekommen, ist das Anforderungsprofil extrem, zu generisch, zu unpräzise, nicht die konkreten Problemfelder abdeckend." Diese Diskrepanz zwischen Bedarf und Realität blockiert Talentpipelines systematisch.

KI eliminiert klassische Einstiegspositionen

80 Prozent der Unternehmen bestätigen: KI reduziert Einstiegsrollen für Absolventen erheblich. Routineaufgaben, traditionell das Sprungbrett für Berufsanfänger, werden automatisiert. Irene Bader, Vorständin von DMG Mori, mahnt Umdenken an: „Wir als Unternehmen müssen dafür sorgen, dass diese jungen Menschen tatsächlich zu den Gestaltern der Zukunft werden."

Job van der Voort, CEO von Remote, kritisiert: „Das Problem sind die zu hohen Erwartungen. Wenn Unternehmen stur an engen, klassischen Anforderungen festhalten, wird der Talentpool zwangsläufig kleiner – im Inland wie im Ausland."

Internationalisierungsstrategien scheitern

62 Prozent planen Auslandsrekrutierung bis 2026, doch 80 Prozent erleben erschwerte Bedingungen gegenüber dem Vorjahr. Deutsche Qualifikationsfixierung behindert globale Talentakquise: 57 Prozent der DAX-Vorstände besitzen MBA oder Doktortitel, international nur 37 Prozent.

Ein Paradigmenwechsel zeichnet sich ab: Die Promotionsquote bei DAX-Vorständen sank von 50 Prozent (2008) auf 30 Prozent (2023). Van der Voort prognostiziert: „In einer technologiegetriebenen Wirtschaft taugen ein Masterabschluss oder ein lückenlos geradliniger Lebenslauf längst nicht mehr als verlässlicher Leistungsindikator."

Die Censuswide-Studie befragte 3.650 Führungskräfte aus neun Ländern, darunter 500 deutsche Verantwortliche, und enthüllt selbstverschuldete Rekrutierungskrisen durch antiquierte Qualifikationsstandards.