Deloitte und BDI dokumentieren: Fast jedes fünfte Unternehmen hat bereits die Koffer gepackt und viele weitere folgen.
Deutschland verliert Industrie im Tempo. Eine gemeinsame Untersuchung von Deloitte und dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) stellt fest: 19 Prozent der befragten Unternehmen haben ihre Produktionsstätten bereits verlagert – ein Plus von acht Prozentpunkten seit 2023. Die Basis: 148 Lieferketten-Verantwortliche aus Automobil, Maschinenbau, Technologie, Chemie und Energie, befragt im September und Oktober 2025. Die Verlagerungsbewegung erfasst auch strategisch wichtigere Bereiche. Entwicklung: 17 Prozent (vorher 12%), Forschung: 13 Prozent (vorher 10%), Endmontage: 18 Prozent (vorher 11%). Verwaltungsfunktionen folgen dem gleichen Muster. Deutschland wird nicht mehr als Zentrum technologischer Wertschöpfung betrachtet, sondern als teuer.
Noch bedrohlicher sind die Planungen. 43 Prozent denken über Produktionsverlagerung nach. Das sind zehn Prozentpunkte mehr als vor zwei Jahren. Bei Forschung plant es jedes Drittel (35%), bei Entwicklung 30 Prozent. Diese Zahlen skizzieren kein vorübergehendes Phänomen, sondern eine strukturelle Neubewertung.
Die Unternehmen wählen strategisch. Europa bleibt Zielregion für 30 Prozent, denn das bedeutet geografische Nähe bei niedrigeren Kosten. Die USA zieht 26 Prozent an (Zugang zu großem Markt und Fachkräften). Asien ohne China: 19 Prozent. China selbst: 16 Prozent. Indien: 14 Prozent. Diese Diversifizierung zeigt: Es geht nicht um Flucht, sondern um Optimierung. Dr. Jürgen Sandau von Deloitte warnt vor Trugschlüssen: „Kurzfristig können Unternehmen anderswo zwar kostengünstiger produzieren, aber dadurch werden sie nicht unbedingt resilienter. Wenn sich der neue Standort nicht als sicherer Hafen erweist, macht ein Lieferstillstand sehr schnell alle Einsparungseffekte zunichte." Rückverlagerungen aus China oder den USA nach Europa sind selten (9 bzw. 7 Prozent).
Die Zollpolitik der letzten Monate hat eine neue Wirtschaftsrealität geschaffen. 53 Prozent berichten von gestiegenen Lieferketten-Sicherungskosten, 39 Prozent sogar von stark angestiegenen. Zwei Drittel (66%) leiden unter höheren Beschaffungskosten. Die Profitabilität sinkt: 53 Prozent verlieren Margenvolumen, 52 Prozent sehen Verwaltungskosten steigen.
KI könnte helfen: 54 Prozent attestieren großes Optimierungspotenzial für die Supply Chain, 65 Prozent für Bestandsverwaltung. Doch nur 41 Prozent nutzen Technologie zur Früherkennung von Lieferschwierigkeiten, 34 Prozent setzen KI in der Planungspraxis ein. Sandau fasst zusammen: „Digitalisierte und diversifizierte Lieferketten können helfen, Produktionsstopps und Lieferengpässe zu vermeiden. Für die Resilienz der Unternehmen ist das eine wesentliche Voraussetzung."





